Vergessen ist natürlich
Hirnforscher erklärt bessere Lehrmodelle zur effizienteren Auslastung
Das Gehirn ist und bleibt der wichtigste Mikroprozessor; auch Lehrende hätten noch viel zu verstehen, um es bei ihrer Arbeit mit Lernenden besser einzusetzen. Entsprechend war am Dienstagabend der Veranstaltungssaal des Forum Geesseknäppchen mit Lehrpersonal prall gefüllt.
Nicht ohne Grund: Gemeinsam mit dem „Institut français Luxembourg“ hatte die "Association Luxembourgeoise des Professeurs en Freelance"eine Veranstaltung mit einem absoluten Top-Experten organisiert, um über die möglichen Einflüsse der Hirnforschung auf die Pädagogik zu informieren. ALPF-Präsidentin Anna Schmitt war es gelungen, Steve Masson, seines Zeichens lehrender Professor und Direktor des „Laboratoire de recherche neuroéducation“ der Université de Québec in Montreal, für eine öffentliche Konferenz während seines Aufenthalts in Luxemburg im Rahmen des „Colloque universitaire de l’ADEMEE-Europe“ zu gewinnen. Masson ist überzeugt: „Besser Lehren heißt auch, das Hirn besser zu verstehen.“ Entsprechend gebe es extrem viel von der Hirnforschung zu lernen.
Magnetresonanz bietet Einblicke
Den Anfang machen demnach immer präzisere Auswertungen von Magnet-
resonanztomographien (sogenannten „IRM“-Scans) des menschlichen Gehirns. „Damit können wir genau analysieren, was ein Unterricht, was das Lernen im Hirn anstellt“, sagt Masson. Dadurch könne sich auch feststellen lassen, wie das Gehirn sich auf neue Informationen und Gelerntes einstellt, wie Masson weiter erklärt.
„Untersuchungen haben beispielsweise klare Veränderungen im Gehirn von Personen gezeigt, die etwas Neues erlernt haben“, meint Masson. Als Beispiel nannte er eine Studie die nachweisen konnte, dass Menschen, die das Jonglieren erlernt haben, tatsächlich Änderungen in ihren neuralen Verbindungen im Gehirn aufzeigten - und diese nach einer mehrwöchigen Pause ohne Jonglier-Aktivität auch wieder verloren. „Das zeigt uns: Vergessen ist ein natürlicher Prozess“, sagt Masson. „Was nicht genutzt wird, wird wieder abgebaut.“
In der Hinsicht seien die Hirnverbindungen wie Waldpfade: „Wenn sie nicht genutzt werden, verwildern sie wieder und wachsen zu“, erklärt er. Das lasse sich an real vorhandenen Synapsen sehen, die graue Masse des Gehirns wachse oder schwinde je nach Anforderung.
Das hält laut Masson gleich mehrere interessante Lehren für Pädagogen parat: „Schüler müssen demnach ihr Hirn trainieren, so wie wir den Rest unseres Körpers und unserer Muskulatur behandeln würden“, sagte er. „Es baut sich am besten durch regelmäßige Anstrengung auf.“ Konkret bedeute das, die Schüler regelmäßiger zu fordern; statt mit ihnen Gelerntes nur zu wiederholen, sollten Lehrende deshalb beispielsweise öfter zu kleinen Tests, mehr Kooperation im Kurs oder zu anderen, ähnlichen Maßnahmen greifen.
„Wissenschaftlich gesehen: Aktivieren Sie den Hippocampus und den präfrontalen Kortex des Gehirns“, präzisiert Masson weiter. „Auf die Weise bleibt tatsächlich nachweislich etwas hängen.“ Dazu gehöre auch ein Lehren in regelmäßigeren Abständen, statt in großen, langen Stundenblöcken. „Die Regelmäßigkeit hat einen großen, wichtigen Effekt“, sagt Masson. Neben einem regelmäßigen Unterrichten, Testen und Fordern sei es deshalb auch wichtig, das bereits Gelernte möglichst häufig wieder neu anzuwenden, um sich immer neu zu erinnern. „Ganz wichtig ist auch, dass Sie den Schülern vermitteln, wie man richtig lernt“, meint Masson. Dazu gehöre die korrekte Anwendung von Lernmethoden, bei denen man sich selbst immer neu fordert und Wissen abverlangt, anstatt das Geschriebene nur zu lesen. „Die Neuro-Forschung erlaubt uns jetzt auch zu erklären, warum diese Methoden so gut funktionieren - weil sie unser Hirn immer neu aktivieren“, erklärt Masson.
Source : http://www.journal.lu/top-navigation/article/vergessen-ist-natuerlich/?L=0&cHash=dc1c9dba4df1fe88608ef32f830ab6bf